Statistisches Praktikum im SS 2023

Prof. Dr. Gaby Schneider, unter Mitarbeit von Solveig Plomer und Johann Ukrow

Seminar im SS 2023. Do. 12:15 Uhr, 711 groß.

Statistische Analyse und Modellierung rhythmischer Schlafaktivitäten bei Huftieren

In Kooperation mit
Prof. Dr. Paul Dierkes und Jennifer Gübert, Didaktik der Biowissenschaften und Zootierbiologie, FB Biowissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt, und
Dr. Maximilian Hahn-Klimroth, Fakultät für Informatik, Technische Universität Dortmund

      

1. Eva Meyer-Cording: Die Verteilung der Liegezyklen

Wir untersuchen das nächtliche Liegeverhalten von verschiedenen Huftierarten. Dieses wurde im Vorhinein klassifiziert in die drei Klassen "Stehen", "Liegen", sowie "Liegen mit abgelegtem Kopf" (siehe Figur oben). Wir betrachten zunächst die Liegezyklen jedes einzelnen Tiers, d.h. die Zeitspanne vom Hinlegen eines Tieres bis zum darauf folgenden Hinlegen, und beschreiben deren Verteilung für alle Tierarten [1]. Insbesondere zeigt sich eine gewisse Regelmäßigkeit mit interessanten Abweichungen insbesondere bei jungen Tieren. Wir diskutieren mögliche statistische Verfahren zur Analyse von Unterschieden zwischen Arten, Geschlechtern sowie Altersgruppen, vor allem vor dem Hintergrund der Problematik, dass nicht alle Geschlechts- und Altersgruppen in allen Arten beobachtet werden konnten.

[1] Gübert, Schneider, Hahn-Klimroth, Dierkes (in Vorbereitung): Nocturnal behavioral patterns of African ungulates in zoos.

2. Jan Driesslein: Analyse der Liege- und Stehanteile eines Schlafzyklus

Wir untersuchen das Liege- und Stehverhalten in den einzelnen Liegezyklen. Zuerst erkennen wir, dass es keine signifikante Korrelation zwischen Liege- und Stehdauer in den einzelnen Liegezyklen gibt. Anschließend beschreiben wir die Dichte des Liegeanteils mithilfe der Beta-Verteilung. Für nahezu alle Tiere ist diese geschätzte Dichte unimodal, mit leichten Unterschieden in der Schiefe zwischen Zebras und den übrigen Tieren. In kurzen Zyklen beobachtet man einen höheren Liegeanteil als in langen Zyklen, was insbesondere bei Jungtieren deutlich wird.

[2] Owen, Claire Elayne Bangerter (2008): Parameter Estimation for the Beta Distribution. BYU Theses and Dissertations. Scholarsarchive #1614.
      

3. Florian Lesny: Zensierte Regression und Deltamethode:
Schätzung der Varianz des ersten nächtlichen Kopfablegens

Wir interessieren uns für das Liegeverhalten der Tiere, speziell für den erwarteten Zeitpunkt des ersten Kopfablegens. Dazu betrachten wir in jedem Liegezyklus die Länge der LHD-Phase. Da diese Größe nichtnegativ ist, nutzen wir die Prinzipien der zensierten linearen Regression [3]. Insbesondere versuchen wir, die Varianz der Parameterschätzer und des x-Achsenabschnitts im Fall der zensierten Regression zu verstehen, indem wir Zusammenhänge zum unzensierten Fall herstellen. Im letzten Schritt untersuchen wir Unterschiede im Liegeverhalten zwischen verschiedenen Tierarten.

[3] Henningsen, A. (2010) Estimating Censored Regression Models in R Using the CensReg Package
      

4. Johann Ukrow: Die Autokorrelation zur Messung der Regularität von Liegephasen

Wie regelmäßig ist das nächtliche Wechselverhalten zwischen Steh- und Liegephasen? Interessanterweise zeigt sich diese Regelmäßigkeit nicht immer durch die einfache Verteilung der Dauer der Steh- und Liegephasen, sondern tritt vielmehr in der Autokorrelation der als binäre Prozesse kodierten nächtlichen Aktivitäten hervor. Wir erklären dieses Phänomen und entwickeln stochastische Modelle, die in der Lage sind, diese Prozesse zu beschreiben. Durch die Analyse der Autokorrelation dieser Modelle und die darauf basierende Entwicklung von Maßzahlen können wir die Regelmäßigkeit des nächtlichen Wechselverhaltens quantifizieren.

[4] Ukrow, Gübert, Hahn-Klimroth, Dierkes, Schneider (in Vorbereitung): Regularity and coordination in the nocturnal behaviour of African ungulates.
      

5. Pascal Neukirchner: Koordination des Liege- und Stehverhaltens im Lichte von Punktprozessen

Wir untersuchen die zeitliche Koordination des Aufstehens und Hinlegens von Paaren von Tieren, die in derselben Box nächtigen. Hierzu werden die Zeitreihen des Steh- und Liegeverhaltens als Punktprozesse aufgefasst und die Koordination mit Hilfe der Kreuzkorrelation (CC) dargestellt, die für verschiedene Zeitverschiebungen (lags) die normierte Anzahl von Aufsteh- oder Hinlegevents mit dem entsprechenden lag misst. Wir verwenden ein stochastisches Modell für rhythmische Punktprozesse aus den Neurowissenschaften [5] und erweitern es auf die Analyse paralleler Prozesse. Durch Schätzung der Parameter aus der Autokorrelation können die Kreuzkorrelationen im Rahmen des Modells vorhergesagt und so die Stärke der beobachteten Interaktionen interpretiert werden.

[5] Bingmer M., Schiemann J, Roeper J., Schneider G. (2011). Measuring burstiness and regularity in oscillatory spike trains.Journal of neuroscience methods. 201. 426-37.
      


6. Jaclyn-Katrin Boppenmaier: Visuelle Klassifikation von Richtungs- und Schrittweitenänderungen in Organellbewegungen


         Wir studieren die Bewegungsmuster bestimmter Plastiden aus der Wurzelzelle der Pflanze Arabidopsis thaliana. Charakteristisch sind abschnittsweise lineare Bewegungen, bei denen zu bestimmten Zeiten Änderungen in der Schrittweite und/oder der Richtung auftreten. Ein Verfahren zur Change Point Detektion kann diese Change Points schätzen [6], jedoch nicht zwischen Änderungen in der Schrittweite (r) und der Richtung (theta) unterscheiden. Wir stellen daher ein graphisches Verfahren vor, das Änderungen in den einzelnen Parametern direkt sichtbar macht, um Aufschluss über die jeweilige Parameteränderung zu erhalten.

[6] Plomer, Ernst, Gebhardt, Schleiff, Neininger, Schneider (in Vorbereitung) Bivariate change point detection in movement direction and speed of cell organelles.


Semesterprogramm

Ca. 60-minütige Vorträge mit Diskussion

1. Einführung in Projekt, Fragestellung und Datenerhebung

13. April      Jennifer Gübert und Dr. Max Hahn-Klimroth

2. Dateneinführung und Analyse der Liegezyklen, Mehrfaktorielle ANOVA

20. April      Eva Meyer-Cording

3. Analyse der Liegedauer, Anpassung der Betaverteilung

27. April      Jan Driesslein

4. Binnenanalyse der Schlafphasen, Zensierte Regression

4. Mai      Jerome Kretschmer und Florian Lesny

5. Messung der Regularität und Rhythmik des Steh-/Liegeverhaltens. Stochastische Modelle und ihre Autokorrelation

11. Mai      Johann Ukrow

6. Koordination des Liege-/Stehverhaltens - Koordination von Punktprozessen

25. Mai      Pascal Neukirchner

7. Klassifikation von change points in Richtung und Schrittweite in zweidimensionalen Bewegungsmustern

1. Juni      Jaclyn-Katrin Boppenmaier

Kurzpräsentationen 20-30 Min

15. Juni      Vortrag 1.+2.
22. Juni      Vortrag 3.+4.
29. Juni      Vortrag 5.+6.

Abschlusspräsentation: 13. Juli 2023



Allgemeine Informationen

Das Statistische Praktikum richtet sich an Studierende der Mathematik mit Statistikkenntnissen (Voraussetzung: bestandene Klausur Statistik 1, Teilnahme an der Vorbesprechung). In Kooperation mit Anwendern werden statistische Denkweisen und Methoden anhand von Daten und Fragestellungen erprobt, die aus der Praxis kommen. Das Statistische Praktikum ist ähnlich konzipiert wie ein Seminar. Themenvergabe erfolgt nach bestandener Klausur, die Bearbeitung der Themen umfasst

- die theoretische Auseinandersetzung mit einem statistischen Verfahren,
- die Anwendung des Verfahrens auf einen Datensatz,
- die intensive Auseinandersetzung mit einem komplexen Datensatz (hoher Programmieraufwand, R)
- die Präsentation von statistischer Methode und Analyseergebnissen (Folien),
- die aktive Mitarbeit im Seminar sowie ggf. Neuanalyse von Datensätzen nach Diskussion im Seminar,
- die Zusammenfassung der eigenen Hauptergebnisse in einem Kurztext (2-3 Sätze) und einer Figur.

Zum Abschluss werden die Ergebnisse in einer Abschlusspräsentation vorgestellt (10 Minuten pro Thema, Methoden und Hauptergebnisse laienverständlich zusammengefasst). Diese Abschlusspräsentation zum Statistischen Praktikum kann als separate Veranstaltung mit 2 CPs z.B. in die Module BaM-SK oder MaM-PR-2 eingebracht werden.


Teilnahmevoraussetzungen:

1. Bestandene Klausur Statistik 1
2. Teilnahme in Präsenz an der Vorbesprechung (!) am 1. Februar 2023, 12:15 Uhr, H III
3. Anmeldung in Präsenz während der Vorbesprechung.
Weitere Informationen zu Anmeldung und Organisation des Praktikums



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