Statistisches Praktikum
Statistisches Praktikum im SS 2015
Stochastische Modelle für bistabile Wahrnehmung
Apl. Prof. Dr. Gaby Schneider
unter Mitarbeit von Stefan Albert, Matthias Gärtner und Benjamin Straub
Seminar im SS 2015.
Mi. 12:15 Uhr, SR 711 (groß), RM 10
Vorbesprechung:
5.2.2015, 13:30 Uhr, SR 711 (groß)
Vortragsprogramm der Abschlusspräsentation
Mittwoch, 1. Juli 2015, ab ca. 10 Uhr, 711 (groß), RM 10
Die folgenden Abstracts wurden in Kooperation mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Statistischen Praktikums erarbeitet.
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1. Begrüßung und Überblick
Wir modellieren und analysieren diskrete Zeitreihen aus einer psychologischen Studie [1]
von Dr. Katharina Schmack und Kollegen, bei der für einen bistabilen Stimulus
(vgl. rotierende Kugel links) wiederholt die wahrgenommene Drehrichtung angegeben werden soll.
Mithilfe stochastischer Modelle (s.u.) beschreiben wir die
Prozessparameter des Antwortverhaltens und untersuchen deren Zusammenhang mit Symptomen der Schizophrenie.
[1] Schmack K., Schnack A., Priller J., Sterzer P. (2015)
Perceptual instability in schizophrenia: Probing predictive coding
accounts of delusions with ambiguous stimuli. doi:10.1016/j.scog.2015.03.005
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2. Solveig Plomer und Kollege/in - Datenüberblick und erste Markovketten mit und ohne Blick in die Vergangenheit
Wir untersuchen zunächst Eigenschaften der Zeitreihen wahrgenommener Drehrichtungen wie
Wechselwahrscheinlichkeit, Ausgeglichenheit und
Regularität, sowie ihre Abhängigkeit von Symptomen der Schizophrenie.
Eine erste Markovkette mit zwei Zuständen (l/r), die nur
durch die Wechselrate parametrisiert wird, kann insbesondere lange Dominanzzeiten
(Zeiten stabiler Wahrnehmung) nicht ausreichend abbilden.
Eine Erweiterung des Modells entsteht daher durch die Einführung eines zweiten Parameters,
der eine niedrigere Wechselwahrscheinlichkeit im stabileren Zustand beschreibt. Dieser wird angenommen,
wenn dieselbe Drehrichtung mindestens n mal angegeben wurde.
Beide Wechselparameter und n werden durch Maximum-Likelihood-Schätzung gewonnen. Im Gegensatz
zum einparametrischen Modell können nun auch lange Dominanzzeiten gut abgebildet werden.
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3. Ein generalisiertes lineares Modell
Wie beeinflussen vergangene Wahrnehmungen die aktuelle Wahrnehmung? Wir beobachteten
einen linearen Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Vergangenheit und
zukünftigen Aussagen, den wir zur Modellierung der Zeitreihen aus ihrer eigenen
Vergangenheit verwenden. Die Länge der Vergangenheit sowie die Koeffizienten werden
mit der Maximum-Likelihood-Methode geschätzt. Im Anschluss untersuchen wir eine Erweiterung
des Modells auf eine zweite, weiter zurückliegende Zeitspanne. Neben einer verbesserten
Darstellung der Wechselrate werden Unterschiede zwischen den Gruppe festgestellt.
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4. Fehlende Daten und Perzeptwechsel
Lücken im Antwortverhalten, die zu fehlenden Daten führen, werden in der
Praxis häufig ignoriert bzw. durch ihre Vorgänger ersetzt [1]. Wir untersuchen
mögliche Auswirkungen dieses Vorgehens durch Analyse der
Lückenhaftigkeit des Antwortverhaltens und dessen Unterschieden zwischen den Gruppen. Dazu modellieren wir
das Antwortverhalten mit einem stochastischen Modell, das die Wahrscheinlichkeit von Perzeptwechseln
nach fehlenden und nach beobachtbaren Daten separat schätzt. Es zeigen sich systematische Gruppenunterschiede und
höhere Wechselwahrscheinlichkeiten nach fehlenden Daten.
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5. Fehlende Daten und Reaktionszeiten
Die Reaktionszeiten im Antwortverhalten der Probanden zeigen systematische Gruppenunterschiede
bezüglich Länge und Variabilität. Zudem sind Reaktionszeiten nach fehlenden Daten verkürzt,
was auf verspätetes Antwortverhalten hindeuten kann. Mit Hilfe eines stochastischen Modells
mit zensierten Beobachtungsdaten schätzen wir die Wahrscheinlichkeit, dass eine Beobachtung
nach fehlenden Daten eine verzögerte Antwort war. Dabei zeigen sich deutliche Gruppenunterschiede.
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6. Ein Hidden Markov Model
Die Zeitreihen werden in diesem Modell durch Hinzunahme eines dritten, 'unsicheren' Zustands zusätzlich zu den Zuständen L und R
modelliert.
Dieser soll den Phasen häufigerer Wechsel Rechnung tragen. Es resultiert ein
einfaches Hidden Markov
Modell mit zwei Parametern,
die die Wechselwahrscheinlichkeiten in sichere und unsichere Zustände angeben.
Die Parameterschätzung erfolgt durch Maximierung der Produktionswahrscheinlichkeit der
beobachteten Zeitreihe. Wir vergleichen die Modellgüte mit den obigen Modellen und untersuchen
Gruppenunterschiede.
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7. Rhythmische Modellierung von Phasen der Perzeptwechsel
Wir modellieren die Zeiten, an denen die vom Probanden wahrgenommene Drehrichtung wechselt,
als speziellen Cox-Prozess (GLO, [2]). Hierbei wird angenommen, dass die Wechselzeiten in 'Bursts' (Clustern)
mit regelmäßigen (normalverteilten) Abständen zwischen den Burst-Mittelpunkten
('Beats') auftreten. Die Anzahl der Wechsel pro Burst ist dabei Poisson-verteilt
und die Wechsel werden um den Beat gemäß einer Normalverteilung platziert.
Mit Hilfe Bayesscher Verfahren wird dieses GLO Modell an die kurzen
Zeitreihen der Perzeptwechsel angepasst. Das Responseverhalten
von etwa 40% der Probanden kann dadurch gut beschrieben werden -
die übrigen Daten legen Modellerweiterungen nahe.
Wir untersuchen
Unterschiede in den geschätzten Parametern wie der Regularität und der
Frequenz der Oszillation sowie deren Abhängigkeit vom angegebenen Schweregrad der Schizophrenie.
[2] Bingmer M., Schiemann J., Roeper J., Schneider G. (2011) Measuring burstiness and regularity
in oscillatory spike trains. J. Neurosci. Methods 201: 426-437
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8. (Poster)
Wir untersuchen Unterschiede im Feuerverhalten von Neuronen im auditorischen Cortex
von Mäusen auf zwei auditorische Stimuli. Speziell werden die Variabilität der Raten und
der Lebenszeiten, sowie die Zeitpunkte von Strukturbrüchen in der Feuerrate untersucht.
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Allgemeine Informationen
Das Statistische Praktikum richtet sich an Studierende der Mathematik mit Statistikkenntnissen (Voraussetzung: bestandene Klausur Statistik 1). In enger Kooperation mit Anwendern werden statistische Denkweisen
und Methoden anhand von Daten und Fragestellungen erprobt, die aus der Praxis kommen.
Das Statistische Praktikum ist ähnlich konzipiert wie ein Seminar. Themenvergabe erfolgt nach bestandener Klausur, die Bearbeitung der Themen umfasst
- die theoretische Auseinandersetzung mit einem statistischen Verfahren,
- die Anwendung des Verfahrens auf einen Datensatz,
- die intensive Auseinandersetzung mit einem komplexen Datensatz (hoher Programmieraufwand, R)
- die Präsentation von statistischer Methode und Analyseergebnissen (Folien),
- die aktive Mitarbeit im Seminar sowie ggf. Neuanalyse von Datensätzen nach Diskussion im Seminar,
- die Zusammenfassung der eigenen Hauptergebnisse in einem Kurztext (2-3 Sätze) und einer Figur.
Zum Abschluss werden die Ergebnisse in einer Abschlusspräsentation vorgestellt (10 Minuten pro Thema, Methoden und Hauptergebnisse laienverständlich zusammengefasst).
Diese Abschlusspräsentation zum Statistischen Praktikum kann als separate Veranstaltung mit 2 CPs z.B. in die Module BaM-SK oder MaM-PR-2 eingebracht werden.
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