100 Years of Mathematics at the Goethe University

Festakt des Instituts für Mathematik am 24.1.2014

Cédric Villani an der Goethe Universität - diese Premiere wollten sich die ca. 350 Besucher der Festveranstaltung "100 Years of Mathematics at the Goethe University" im Festsaal der Goethe-Universität nicht entgehen lassen. Der 40-jährige Mathematiker aus Lyon ist einer der über die akademische Welt hinaus bekanntesten lebenden Vertreter seines Fachs und war als Hauptredner der Veranstaltung eingeladen. Über den exzentrischen Forscher mit der silbernen Spinne am Jackett wird seit einigen Jahren insbesondere aufgrund seiner faszinierenden Vorträge in vielen deutschen Medien berichtet. Zudem lockte die Chance, mit Villani einen der wenigen Preisträger der höchsten mathematischen Auszeichnung weltweit, der Fields-Medaille, erleben zu können. Villani wurde die Fields-Medaille im Jahr 2010 für seine Lösung eines seit mehr als 40 Jahren ungelösten Problems der mathematischen Physik, die rigorose nichtlineare Herleitung der Landau-Dämpfung, verliehen.

Der Festakt begann mit der facettenreichen Ballade Nr. 4 in f-moll Op. 52 von Frédéric Chopin, brilliant vorgetragen vom Frankfurter Nachwuchspianisten Alexey Pudinov. Damit wurden die Besucher bereits musikalisch auf die wechselhafte und einflussreiche Geschichte der Frankfurter Universitätsmathematik eingestimmt. Diese Geschichte sprengt, wie Vizepräsident Schubert-Zsilavecz in seiner Begrüßung hervorhob, in ihrer Gesamtheit den Rahmen eines einzigen Festaktes, so dass spezielle Aspekte an diesem Tag in den Vordergrund rückten.






Schubert-Zsilavecz hob die Rolle der Frankfurter Professorin Ruth Moufang hervor. Ihr hatte im Jahr 1936 das nationalsozialistische Verwaltungsregime die "venia legendi" aufgrund ihres Geschlechtes verweigert. Nachdem ihr diese zehn Jahre später direkt von der naturwissenschaftlichen Fakultät der Goethe-Universität verliehen wurde, hat sie den Wiederaufbau und den Aufstieg des Mathematischen Seminars in den Nachkriegsjahren entscheidend mitgeprägt. Wie Schubert-Zsilavecz treffend bemerkt, kann die Ruth-Moufang-Straße auf dem Campus Riedberg als eine stetige Erinnerung dahingehend verstanden werden, dass der Campus erst mit der in den nächsten Jahren anstehenden Ansiedlung des Fachbereichs Informatik und Mathematik vervollständigt ist.

Video des Grußwortes




Im ersten Vortrag des Nachmittags ging dann Prof. Dr. Moritz Epple, Leiter der Arbeitsgruppe für moderne Wissenschaftsgeschichte an der Goethe-Universität, auf die Anfangsjahre des Mathematischen Seminars in Frankfurt ein. Eine besondere Bedeutung kam hier dem Mathematiker und Kristallographen Arthur Schoenflies zu, der als Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät und späterer Rektor der Goethe-Universität die Gründungsjahre entscheidend geprägt hat und insbesondere für die Berufung des Physikers und Nobelpreisträgers Max von Laue mitverantwortlich war. Ein für die Naturwissenschaften höchst bedeutsamer Beitrag von Schoenflies war die vollständige Klassifizierung aller 230 Raumgruppen von Symmetrien der Kristallstrukturen. Epple zitierte unter anderem aus Schoenflies’ Rektoratsrede (1920) "Über Allgemeine Gesetzmäßigkeiten des Geschehens". In dieser Rede stellte Schoenflies die Verbindung zwischen lokalen und globalen Naturgesetzen durch die Sprache der Mathematik als ein Leitbild für eine allgemeine Vision der positiven geistigen Entwicklung dar - in Form der "allmähliche Mehrung und Stärkung der Ideen, die berufen sind, dem leiblichen und seelischen Wohlergehen der Menschheit zu dienen". Epple erinnerte außerdem an das Ende der ersten Blütezeit des Mathematischen Seminars nach 1933, als Max Dehn, Paul Epstein, Ernst Hellinger und Otto Szasz ihre Stellung verloren.


Video des Vortrages





Ein musikalisches Zwischenspiel leitete danach zum Hauptvortrag der Veranstaltung über. Cedric Villanis Vortragstitel "Of Gases, Triangles, Prices and Men" versprach überraschende Einblicke der aktuellen mathematischen Forschung in tiefliegende Zusammenhänge zwischen scheinbar unzusammenhängenden Aspekten der Gasdynamik, der Geometrie und der Ökonomie. Villani ging in seinem Vortrag sogar noch darüber hinaus und beleuchtete in spielerisch leichter Form weitere überraschende Querverbindungen wie den Einfluss der Navier-Stokes-Gleichungen auf die Hollywood-Filmindustrie. Darüber hinaus nahm er populären mathematischen Verschwörungstheorien wie dem befürchteten desaströsen Effekt einer Lösung der Riemannschen Vermutung auf die Sicherheit von Verschlüsselungsmechanismen im Internet in humorvoller Weise den Wind aus den Segeln. Der lebendige Vortrag bot sowohl Fachwissenschaftlern als auch Laien faszinierende neue Einblicke in die Welt der Mathematik und machte in eindrucksvoller Weise die Bedeutung aktueller mathematischer Forschung sichtbar.

Von Goethe stammt das Zitat "Die Mathematiker sind eine Art Franzosen: Redet man zu ihnen, so übersetzen sie es in ihre Sprache, und dann ist es alsbald etwas anderes." Der kräftige Applaus am Ende seines Vortrags bewies, dass es dem Franzosen Villani überzeugend gelungen war, die Eleganz und Bedeutung der Sprache der Mathematik sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in alltäglichen Prozessen zu erläutern.



Der Fachbereich Informatik und Mathematik und insbesondere das Institut für Mathematik konnte beim anschließenden Empfang im Foyer des Casinos eine gelungene und in der Zusammenstellung der Vorträge wohl auch einzigartige Festveranstaltung ausklingen lassen, welche ohne die Unterstützung des "Vereins zur Förderung der Mathematik an der Goethe-Universität" nicht möglich gewesen wäre. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass die Goethe-Universität zukünftig weitere positive Ergebnisse fruchtbaren Zusammenwirkens von Freunden und Alumni der Frankfurter Mathematik erwarten kann.

Video des Vortrages                                                                                                                                                                                        

Tobias Weth